Ein paar Jahre später.
Gabriel schaute seine Frau zärtlich an, studierte die sanfte Kurve ihres Halses und die goldenen Sommersprossen, die sich auf ihrem milchig-weißen Teint verteilten.
Sie war keine Lady, die sich vor der Sonne schützte, und das war einer der Millionen Gründe, warum er sie liebte.
»Alles fertig«, sagte die Malerin, die junge Künstlerin Miss Emmeline, als sie den Pinsel beiseite legte.
Gabriel schaute mit einem Stirnrunzeln auf.
»Oh, endlich«, hauchte Evie und drehte ihren Kopf von einer Seite zur anderen.
»Aber ich bin noch nicht fertig damit, meine Frau zu anzuhimmeln«, sagte Gabriel und tat, als sei er beleidigt. »Könnten Sie uns nicht noch ein bisschen länger malen?«
Evie schlug nach ihm. »Du kannst mich anstarren, so viel du willst, aber zwing mich nicht mehr, in dieser einen Position zu sitzen. Und hilf mir auf.«
Sie hob beide Hände, und Gabriel zerrte sie mit gespielter Mühe auf die Füße.
»Mein Gott, bist du schwer!«, rief er aus und wischte sich theatralisch über die Stirn.
Evies Augen verengten sich. »Sei froh, dass du mich nicht den ganzen Tag mit dir herumtragen musst, im Gegensatz zu mir, der ich deinen Erben überall mit hinschleppen muss.«
Gabriel grinste seine grummelnde Frau an. Er beugte sich vor und küsste ihren runden Bauch. »Mein Erbe, ist er das, ja?«
»Oh, ja. Ich bin ganz sicher, dass es ein Junge ist. Aileen hat nie so getreten. Sie war schon damals eine richtige Dame. Genau wie ihre Mutter«, sagte seine Herzogin mit hochmütiger Miene.
Gabriel stieß ein schnaubendes Lachen aus. »Eine richtige Dame … wie ihre Mutter? Ich würde die Person, von der du da sprichst, gern kennenlernen. Denn die Frau, mit der ich verheiratet bin, ist ein richtiges Teufelsweib.«
Evie verzog ihre Lippen zu einem sinnlichen Schmollmund. »Können wir uns jetzt das Bild ansehen, oder willst du mich den ganzen Tag beleidigen?«
»Beleidigung, meine liebe Frau? Das war doch das größte Kompliment!« Gabriel schlang seine Arme um ihre Taille, zog sie näher an sich heran und drückte ihr einen fordernden Kuss auf den Mund.
Evie sackte unter seinem Ansturm zusammen, bevor sie zur Besinnung kam. Sie drückte gegen seine Brust und befreite sich aus seinem Griff.
»Gabriel!« Sie sah so beleidigt aus, dass er hätte denken können, er hätte vor ihren Augen jemanden umgebracht. »Nicht vor der Künstlerin«, flüsterte sie empört.
Gabriels Lippen zuckten zu einem Lächeln. »Sehr gut, meine liebe, anständige Frau. Sollen wir uns das Bild jetzt ansehen?«
Sie nickte ihm zu und hakte sich bei ihm unter.
Sie befanden sich in den Gemächern des Herzogs auf ihrem Anwesen in Peacehaven. Die Renovierung war erst wenige Monate zuvor abgeschlossen worden, und Gabriel hatte seine immer runder werdende Frau zusammengepackt, und sie waren für die letzte Zeit der Schwangerschaft dorthin gereist. In dem Moment, in dem Evie die Gemächer des Herzogs – und jetzt der Herzogin – betreten hatte, hatten ihre Augen getränt, und er hatte gewusst, dass sich die Mühe, die er für die Renovierung des Hauses auf sich genommen hatte, gelohnt hatte.
»Aber es gibt kein Porträt«, hatte sie damals gesagt.
Gabriel wusste, dass sie das alte Bild von ihren Großeltern meinte. Er beschloss jedoch, dass die Anfertigung eines eigenen Porträts die zweitbeste Lösung sei.
Ihr Familienporträt.
Sie erreichten die Künstlerin und spähten über sie hinweg, um das Gemälde zu sehen. Miss Emmeline trat grinsend zur Seite.
Es war wunderschön.
Gabriels Blick wanderte sofort zu seinen beiden Mädchen. Aileen, ihre zweijährige Tochter, saß auf dem Schoß ihrer Mutter. Die Künstlerin hatte sie zuerst gezeichnet, weil die Kleine nicht lange stillsitzen wollte.
»Wenn das Baby kommt, müssen wir ein neues anfertigen lassen«, bemerkte Gabriel.
Evie sah zu ihm auf und grinste. »Vielleicht, wenn er älter ist.« Sie wandte sich an die Malerin. »Ich danke Ihnen vielmals. Sie werden oft in dieses Haus eingeladen werden, mit jedem neuen Mitglied der Familie.«
»Jährlich«, sagte Gabriel stolz und erntete ein Stirnrunzeln von seiner Frau.
Sie wandte sich wieder an die Künstlerin. »Und ich wette, alle unsere Freunde werden auch ihre Porträts bei Ihnen in Auftrag geben.«
Das Mädchen lächelte und machte einen nachlässigen Knicks.
»Jährlich?« Evie schmollte, als sie sich Gabriel zuwandte. »Du erwartest von mir, dass ich dir jedes Jahr ein Kind schenke?«
Gabriel zuckte mit den Schultern und führte seine Frau aus dem Zimmer.
»Ich erwarte, dass wir sehr damit beschäftigt sein werden, Babys zu machen, also ja. Es ist gut möglich, dass du sie jedes Jahr eines wirst zur Welt bringen müssen.«
Evie schürzte ihre Lippen. »Das ist eine ganze Menge.«
»Wir können sie uns leisten«, sagte Gabriel lächelnd.
Sie gingen langsam den Korridor und dann die Treppe hinunter, wobei Evie mit ihrer Hand an den Wänden entlangfuhr. Das tat sie jedes Mal und freute sich über die neu dekorierten Salons.
Gabriel hatte versucht, das Haus so gut wie möglich nachzubauen, um so viele Erinnerungen an ihr geliebtes Zuhause zu bewahren, wie er konnte. An manchen Stellen hatte er Erfolg gehabt, an anderen nicht, aber Evie sah diesen ganzen Ort immer wieder mit staunenden Augen an und gab ihm das Gefühl, ein Zauberer zu sein, der ihr ein Stück ihrer Kindheit zurückgegeben hatte.
Sie bahnten sich ihren Weg durch das Haus und erreichten schließlich die Gärten. Das Lachen und die Schreie ihres kleinen Mädchens erfüllten den Ort, so dass sie keine Schwierigkeiten hatten, sie und ihre Anstandsdamen zu finden.
»Da ist ja mein kleines Mädchen«, sagte Evie, als Aileen in vollem Tempo auf sie zu rannte und ihre Mutter umarmte.
Mr. Cromwell und Witwe Jane – jetzt Mrs. Cromwell – folgten ihr langsam.
Als Evie Mr. Cromwell in das kleine Dorf Forton geschickt hatte, hatten sie gehofft, die beiden alten Seelen würden zueinander finden. Als jedoch die ersten Briefe von Mr. Cromwell eingetroffen waren, waren es vor allem Beschwerden über die »verbitterte alte Witwe« gewesen.
Sie zankten sich oft, aber bald merkten alle, dass sie auf diese Weise ihre Zuneigung zueinander zeigten. Mr. Cromwell und Witwe Jane fanden im jeweils anderen schnell eine verwandte Seele. Im vergangenen Jahr hatten sie endlich den Bund fürs Leben geschlossen.
Gabriel nahm Aileen in seine Arme. »Wie wäre es mit einem Kuss für deinen Papa?«
Aileen küsste ihn auf die Wange und schlang die Arme um seinen Hals, bevor sie sich aus seinem Griff befreien wollte, aber er hielt sie fest.
»Miss Jane! Lass uns auf den Baum klettern!« Aileen wandte sich an die alte Frau. Sie hüpfte in Gabriels Armen und sprang fast hinunter.
»Wie wäre es stattdessen mit einer Partie Domino?«, lockte Witwe Jane die kleine Aileen.
»Was ist to-mi-tos?«, flüsterte Aileen mit einem bezaubernden Stirnrunzeln.
Gabriel tippte ihr auf die Nase, um ihre Gesichtszüge zu glätten, und sie lachte. »Es ist ein anregendes Spiel, das sowohl die Entwicklung des Geistes als auch den Spieltrieb fördert«, sagte er.
»Lass uns gehen, mein Schatz. Mrs. Cromwell wird es uns alle lehren«, sagte Evie mit einem Augenzwinkern in Richtung Witwe Jane.
»Lass los, Papa!« Aileen befreite sich aus Gabriels Griff und stürmte auf das Haus zu.
»Vorsichtig, Lady Aileen!« Mrs. Cromwell eilte dem Mädchen hinterher.
Gabriel warf Evie einen Blick zu, und sie seufzte.
»Nun gut, du hattest Recht. Vielleicht ist sie keine perfekte Lady. Aber sie wird eine werden.«
»Sie ist perfekt, genau so, wie sie ist«, flüsterte Gabriel und strich Evie eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und du auch.«
Gabriel beugte sich vor und verschloss ihren Mund mit seinem. Er küsste sie zuerst zärtlich, dann öffnete er seinen Mund über dem ihren und nahm sie in eine leidenschaftliche Umarmung. Evies Hände wanderten seinen Körper hinauf, bis sie mit den Fingern durch sein Haar fuhr und ihn näher zu sich zog.
Evie brach den Kuss abrupt ab. Sie legte ihre Hand auf ihren Bauch und atmete tief ein.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« Gabriel betrachtete ihre Gesichtszüge besorgt.
»Ja. Ich meine, nein.« Sie zog eine Grimasse. »Ich habe diese Schmerzen alle paar Stunden, aber ich glaube, die Pausen dazwischen werden kürzer.«
Gabriels Augen weiteten sich. »Hast du …«
Evie lächelte und nickte. »Ich glaube, die habe ich.«
»Du hast Wehen!«, rief Gabriel begeistert aus, während sich sein Herzschlag beschleunigte und seine Handflächen zu schwitzen begannen.
»Machen Sie sich bereit, Ihren Erben willkommen zu heißen, Mylord«, sagte seine Frau lächelnd, aber Gabriel konnte sie kaum verstehen, so heftig rauschte das Blut in seinem Kopf.
ENDE
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