Die Geheimnisse des verruchten Viscounts (Gelöschte Szene)

Am Tag der Hochzeit von Caroline und Kensington saß Olivia wie auf Nadeln. Sie konnte die Taubheit in ihren Gliedern und in ihrem Geist nicht abschütteln. Sie machte sich Sorgen um Caroline. Sie machte sich Sorgen um Lavinia. Und sie war immer noch sauer auf Jarvis, weil er sie mit ihren Sorgen allein ließ.

Olivia atmete tief durch, aber die Luft im Haus schien zu dünn zu sein. Sie fühlte sich erdrückt.

»Bist du bereit?«, fragte ihre Mutter von der Türschwelle aus.

»Nein, Mama. Ich bin zu nervös für meine Freundinnen.«

Olivias Mutter runzelte die Stirn und betrat den Raum. »Warum solltest du dir Sorgen machen, Liebes?«

»Na eben weil.« Olivia ließ die Schultern hängen. »Caroline wollte nie heiraten. Und heute ist ihr Hochzeitstag.«

Die Viscountess strich Olivia über den Rücken, und sie richtete sich auf. »Unsinn, Kind. Sie wird einen Herzog heiraten. Einer der einflussreichsten und wohlhabendsten Männer in England. Einen besseren Ehemann als ihn kann man sich nicht wünschen.«

Aber was ist mit der Liebe? Olivia runzelte die Stirn. Sie hatte zu Lavinia gesagt, dass Liebe in einer Ehe keine Rolle spielen würde. Wann hatte sie ihre Meinung geändert?

»Mama, ich brauche frische Luft. Bitte, erlaube mir, ein paar Minuten in die Gärten zu gehen, um mich zu beruhigen.«

»Liebes, alle haben sich im Ballsaal versammelt. Der Pfarrer ist schon da.«

»Bitte, Mama.« Olivia packte ihre Mutter an den Armen.

Die Viscountess stieß einen Seufzer aus. »Nun gut. Ich werde mit dir kommen.«

Olivia lächelte dankbar und verschränkte ihren Arm mit dem ihrer Mutter.

Sie gingen schweigend in die Gärten. Jede in ihren eigenen Gedanken versunken. Als sie endlich ihr Ziel erreichten, war Olivia überrascht, Caroline in der Rosennische auf und ab gehen zu sehen.

Olivias Mutter löste sich von ihrer Seite. »Nun, da ist deine Freundin. Vielleicht kann sie dir ja helfen, deine Sorgen zu zerstreuen. Ich werde vor den Gärten auf euch warten. Macht es kurz.« Sie gab Olivia einen Kuss auf die Stirn und ging weg.

Olivia holte tief Luft. Was sollte sie zu Caroline sagen? Sollte sie sich für ihre unbedachten Äußerungen bei ihrem letzten Gespräch entschuldigen? Oder sollte sie sie anflehen, Kensington aufzugeben? Vielleicht brauchte Olivia gar nichts zu sagen. Wenn sie in die Nische trat, könnte Caroline sie vielleicht direkt beruhigen und ihr die Sorgen nehmen.

Olivia wollte gerade um das Gebüsch herumgehen und sich zu erkennen geben, als der dunkle, große Mann die Nische betrat. Kensington.

»Wenn es deine Absicht ist, uns in eine kompromittierende Lage zu bringen«, sagte Kensington zu Caroline, »dann ist das nicht nötig. Wir werden in ein paar Minuten heiraten.«

»Das ist nicht meine Absicht, das versichere ich Ihnen, Euer Gnaden«, antwortete Caroline gleichmütig.

Es war unhöflich, zu lauschen, aber Olivia stand wie angewurzelt und konnte sich nicht bewegen. Sie wollte nicht, dass die beiden hörten, wie sie davonhuschte, und sie wollte noch mit Caroline sprechen, nachdem der Herzog gegangen war.

»Was ist dann deine Absicht?«, fragte Kensington.

»Ich möchte unser Verlöbnis auflösen.«

Olivia beugte sich vor, um das Gespräch besser verfolgen zu können. Caroline wollte das Verlöbnis auflösen! Vielleicht würde sich ja doch noch alles regeln.

Der Herzog neigte den Kopf zur Seite und musterte Caroline aufmerksam. »Ist es wirklich das, was du willst?«

»Ja.« Caroline hielt ihren Kopf hoch und sah unter dem durchdringenden Blick des Herzogs selbstbewusst aus.

»Nun, das kann ich dir nicht geben«, sagte Kensington steif.

Olivia klappte der Mund auf.

»Ich werde unsere Vereinbarung auflösen, ob Sie nun dagegen sind oder nicht«, erwiderte Caroline.

Olivia sah, wie sich Kensingtons Brustkorb hob und senkte, als er tief einatmete. »Du kannst die Vereinbarung, die dein Onkel für dich ausgehandelt hat, nicht auflösen. Ich weiß nicht, was er dir gesagt hat, Lady Caroline, aber wir werden heiraten. Unsere Abmachung ist endgültig.«

»Und was ist, wenn ich weglaufe?«

Die Stimme des Herzogs war fest. »Dann werde ich dich einholen lassen.«

»Sie scheinen sehr begierig darauf zu sein, mich zu heiraten, für jemanden, der mich seit der Nacht unserer Verlobung kaum angesehen hat.«

Es herrschte eine lange Stille, während Kensington Caroline beobachtete, als ob er eine mathematische Aufgabe zu lösen habe. Schließlich sagte er: »Dein Onkel hat dafür gesorgt. Glaub mir. Sonst würde ich dich nicht heiraten.«

Kensington machte auf dem Absatz kehrt und ging davon.

Olivia zog sich tiefer zwischen die Büsche zurück, um nicht aufzufallen.

Was hatte sie gerade gesehen? Sollte sie zu Caroline gehen und sie trösten, oder sollte sie so tun, als hätte sie nichts gehört?

Ihr Dilemma wurde gelöst, als Caroline ihre Röcke glättete und in die entgegengesetzte Richtung von Olivia ging.

* * *

Als Olivia einige Minuten später den Ballsaal betrat, stand Caroline vor dem Pfarrer und hielt die Hände des Herzogs. Sie sah Kensington direkt in die Augen, ruhig, entschlossen und standhaft.

Olivia sah mit großen Augen zu, wie Caroline schwor, den Herzog zu lieben, zu ehren und ihm zu gehorchen. Und nur wenige Minuten später wurde Caroline zur Herzogin von Kensington erklärt.

Ende.

Vielen Dank fürs Lesen!

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Published by sadiebosque

Sadie Bosque is a pen name, or an alter ego, if you like, of a sheltered young woman from outskirts of the World. The author uses her secret identity to write steamy historical romance novels by night, hoping to create the perfect escape for people like her. Extremely introverted, the author likes her privacy, but will divulge her writing process and ideas on her social media.

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